Seit langem weiß man um die Wichtigkeit von Wasser für die Produktsicherheit und Stabilität. Das Karl-Fischer-Verfahren ist eine weit verbreitete analytische Methode zur Quantifizierung des Wassergehalts in einer Vielzahl von pharmazeutischen Produkten. Heute wissen wir, dass die Bestimmung der Gesamtmenge an Wasser mit dem Karl-Fischer-Verfahren nicht die effektivste Methode ist, um die Auswirkungen von Wasser auf Sicherheit und Stabilität zu verstehen. Wasseraktivität (aw) ist eine alternative Wassermessung, die wesentliche Informationen über die Energie oder die Verfügbarkeit von Wasser in einem Produkt liefert. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die Wasseraktivität ein weitaus besserer Prädiktor für die Produktsicherheit und -stabilität ist als die Gesamtmenge an Wasser. Die Wasseraktivität wird seit Jahrzehnten als wirksames Instrument in der Lebensmittelindustrie eingesetzt und spätestens seit der durch die US-Behörden veröffentlichten USP-Methode <1112> gilt dies auch in der pharmazeutischen Industrie als Standard.
Wasser ist nicht gleich Wasser.
Wasser in einem System gibt es in drei Zuständen: frei, absorbiert und gebunden bzw. als Monolayer-Wasser. Freies Wasser hat die gleiche Energie und Eigenschaften wie reines Wasser. Absorbiertes Wasser wird zwar weniger fest gebunden, hat aber eine reduzierte Energie und unterschiedliche Eigenschaften als freies bzw. reines Wasser. Gebundenes Wasser hat eine geringere Energie. In Wirklichkeit bewegen sich Wassermoleküle leicht zwischen diesen Zuständen, und es ist unmöglich, die Menge an Wasser irgendeines einzelnen Zustandes exakt zu quantifizieren. Vielmehr wird der Gesamtenergiezustand des Wassers durch die relativen Wirkungen dieser Zustände bestimmt. Eine Verringerung der Energie des Wassers (d.h. eine geringere Wasseraktivität) führt zu weniger verfügbarem Wasser und beeinflusst damit biologische und chemische Reaktionen. Die Feuchtigkeitsgehaltsanalyse liefert die Gesamtmenge an Wasser, unterscheidet aber nicht den Zustand des Wassers.
Das Karl-Fischer-Verfahren ist wirksam bei der Quantifizierung von eng gebundenem Wasser, das oftmals ein besserer Wert für eine Feuchtigkeitsanalyse ist, als der reine Trockenverlust. In der Tat wird dieses zusätzliche Wasser, das mit dem Karl-Fischer-Verfahren gemessen wird, oft als das “gebundene” Wasser bezeichnet. Obwohl das Verfahren eine vollständigere Bestimmung des Gesamt-Wassergehalts bereitstellen kann, liefert sie nur die Menge an Wasser und nicht den Energiestatus des Wassers. Die Wasseraktivitätsbestimmung dagegen, liefert die Energie und damit die “Verfügbarkeit” von Wasser. Sie ist nicht abhängig von der Menge an Wasser, sondern den jeweiligen Zuständen des Wassers. Infolgedessen liefert die Wasseraktivität bessere Korrelationen zu biologischen und chemischen Reaktionsgeschwindigkeiten als die Karl-Fischer-Analyse.
Was ist Wasseraktivität?
Die Wasseraktivität beschreibt den thermodynamischen Energiestatus des Wassers in einem System. Obwohl nicht ganz wissenschaftlich korrekt, kann es helfen, die Wasseraktivität als die Menge des “verfügbaren” Wassers in einem System zu bezeichnen. Die Wasseraktivität beschreibt nicht, wie viel Wasser in dem System vorhanden ist, zeigt aber auf, wie viel Wasser im System reinem Wasser ähnelt und sich wie reines Wasser verhält. Die Wasseraktivitätswerte reichen von 0 (knochentrocken) bis 1,0 (reines Wasser). Wenn die Wasseraktivität abnimmt, nimmt auch die Energie des Wassers in einem Arzneimittel ab und ist weniger “verfügbar” für das mikrobielle Wachstum, die chemische Reaktivität oder für die Feuchtigkeitsmigration. Zum Beispiel hat Wasser in einem Produkt, das eine Wasseraktivität von 0,80 hat, genug Energie, um das Schimmelwachstum zu unterstützen, während das Wasser in einem Produkt mit einer Wasseraktivität von weniger als 0,60 das Wachstum eines jeden Mikroorganismus’ verhindert. Wasser wird beweglicher, wenn die Wasseraktivität zunimmt – auch das fördert die chemischen und enzymatischen Reaktionsgeschwindigkeiten.
Wissenschaftlich ist die Wasseraktivität definiert als Dampfdruck von Wasser (p) über einer Probe, dividiert durch den Dampfdruck von reinem Wasser (po) bei einer gegebenen Temperatur. Durch Messung dieses relativen Dampfdrucks zum Dampfdruck von reinem Wasser bei gleicher Temperatur ist es möglich, die Energie des Wassers in der Probe zu bestimmen. Dies ist macht Sinn, da Wasser, das chemisch oder physikalisch in einer Probe assoziiert ist, eine geringere Energie aufweist und sich nicht so leicht in die Dampfphase bewegt, wodurch der Dampfdruck über der Probe verringert wird.